| Otto Normal – Das neue NormalNormal.  Was ist schon normal?
 Wenn das  Bewährte normal ist, bedeutet der Normalzustand Stillstand.Wenn das  Gewohnte normal ist, dürfte es in einer auf Weiterentwicklung basierenden  Kultur
 wie der  unseren keine Normalität geben.
 Und wenn  das Übliche normal ist, ist sowieso alles aus. Dann ertrinken wir eines  unschönen
 Tages  nämlich qualvoll unter der Last des tagtäglichen Trotts in einem künstlichen  See aus
 gequirlter  Langeweile.
 Doch  noch ist nicht alles verloren. Die Freiburger Band Otto Normal hat, ihrem  unscheinbar
 wirkenden  Namen zum Trotz, aus 15 treibenden Songs einen musikalischen Rettungsring
 geknotet,  der dem verschwommenen Begriff der Normalität neuen Auftrieb verleiht; ein
 Rettungsring,  der erst an der aufgewühlten Oberfläche des alltäglichen Lebens einen
 emotionalen  Bezug zur inhaltlichen Tiefe gewinnt; und der dem Untergang des
 althergebrachten  Verständnisses von Normalität nun eine soundwellenschlagende Alternative
 entgegensetzt:  „Das neue Normal“.
 Aber  fangen wir vorne an.
 Der  Ursprung der sechsköpfigen Band liegt in Freiburg. Dort waren Rapper Chabezo  und
 Gitarrist  Baf nach der Auflösung ihrer HipHop-Combo [bih'tnik] vor drei Jahren auf der  Suche
 nach  einer neuen musikalischen Herausforderung. Fündig wurden sie kurzerhand im  Studio
 des  ehemaligen Reamonn-Bassisten Philsn, wo sie auf die beiden Keyboarder Lüük und  Patrick
 sowie  auf den damals erst 15-jährigen Schlagzeuger Tony trafen. Nach ersten  unverbindlichen
 Sessions  kristallisierte sich schnell eine gemeinsame kreative Linie, eine ähnliche  musikalische
 Vision  heraus. Man beschloss, die nächsten künstlerischen Schritte zusammen zu gehen.  Die
 Band  hatte sich gefunden.
 „Unser  Band-Name Otto Normal wird im Alltag häufig als Schimpfwort benutzt. Wir  versuchen
 nun mit  unserer Musik, den Begriff positiv zu besetzen“, erzählt Chabezo. „Ich komme ja  vom
 HipHop,  kann mit dem dort vorhandenen Battle-Gedanken und dieser künstlichen Überhöhung
 des  eigenen Egos aber nichts anfangen. Deshalb machen wir es als Otto Normal genau
 andersherum:  Wir stapeln tief, um dadurch über uns hinaus wachsen zu können.“ Er muss
 lachen,  als er das erzählt und fügt augenzwinkernd hinzu: „Wir liefern einfach  Durchschnitt
 auf ganz  hohem Niveau. Wir sind das beste Mittelmaß der Welt.“
 Nach der  Veröffentlichung ihres Debütalbums „Wahnsinn“ im Jahr 2012 hat sich bei Otto
 Normal  viel getan; und zwar nicht nur musikalisch, sondern auch drumherum. Die Band  hat
 nicht  nur den VIA Award als bester Newcomer gewonnen, sondern auch den begehrten  Berlin
 Music  Award; konnte ihre Songs zur Primetime im öffentlich-rechtlichen Fernsehen  performen
 und sich  die Unterstützung der Initiative Musik sichern – einer Fördereinrichtung der
 Bundesregierung  für die Musikwirtschaft in Deutschland. Außerdem sind Otto Normal seit
 diesem  Jahr offizielle Kinder- und Jugendbotschafter. „Wir haben neben der Band das  Projekt
 ‚Musik  macht Schule’ ins Leben gerufen, bei dem wir zusammen mit behinderten  Jugendlichen
 Songs  schreiben und aufführen“, erklärt Chabezo, dem das soziale Engagement der Band  eine
 Herzensangelegenheit  ist.
 Wen  wundert es bei dieser bandeigenen Vielseitigkeit, dass sich das immanente
 Tausendsassatum  von Otto Normal auch einen Weg auf den aktuellen Tonträger gebahnt hat?
 Der rote  Faden, der die fünfzehn Songs des Albums zusammenhält, wurde allein aus
 Facettenreichtum,  vertonter Freude und einem genresprengenden Verständnis von unbändiger
 Kreativität  geknüpft. Zudem ist die Platte der Musik gewordene Beweis der Richtigkeit des
 alten  Sprichworts, dass Gegensätze sich anziehen: so treffen druckvolle Partytunes  mit
 deichkindischer  Dringlichkeit („Noch n Nö“) auf entspannte Relax-Tracks wie „Ich tauch ab“,
 stehen  funky Abhandlungen über die Dancefloor-Historie der vergangenen fünfzig Jahre
 („Tanzroboter“)  neben der ironischen Abfeierei des eigenen Ichs („Ich bin geil“), folgen
 freudvolle  Nonsens-Nummern à la „Paris Paris“ auf herzschmerzende Wahrheiten über die
 Brutalität  erloschener Liebe („Das siebte Jahr“).
 „Mir ist  es wichtig, Musik zu machen, die die Leute in einer bestimmten Gefühlslage oder  bei
 einem  bestimmten Gedanken abholt; Songs, die eine Geschichte transportieren, die von
 jedem  individuell weitergesponnen werden kann“, erläutert Chabezo seine textliche
 Herangehensweise,  die genauso mannigfaltig daherkommt wie deren musikalische
 Untermalung.
 Man  nehme nur mal die erste Single-Auskopplung „Augen zu“, eine treibend eingängige  Funk-
 House-Nummer,  die mit wortspielerischer Leichtigkeit eine erste Ahnung vom a(lles andere
 als)normalen  Potenzial der Band liefert; eine gekonnte Kombination von intelligentem
 Wortwitz  mit taktgefühlvoller Tanzbarkeit, die in dieser Stringenz hierzulande nur  selten zu
 finden  ist. Oder das bereits erwähnte „Das siebte Jahr“, das sich durch die textliche
 Auseinandersetzung  mit dem Ende einer langjährigen Beziehung bereits inhaltlich damit
 auseinandersetzt,  sich mit der Abweichung vom Gewohnten abfinden zu müssen, und sich
 plötzlich  mit einem „neuen Normal“ konfrontiert zu sehen.
 Normalität  hat viele Facetten.
 So ist  Normalität der Anker in einer sich immer schneller verändernden Welt.  Normalität ist
 ein  Werkzeug, um die Wirklichkeit in den Griff zu bekommen. Normalität ist der  Durchschnitt
 des  allgemeinen Wahnsinns. Das alles ist normal.
 Doch „Das neue Normal“ ist  noch viel mehr.
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